Strukturreform für eine zukunftsfeste und weiterhin bürgernahe Finanzverwaltung
Die Niedersächsische Landesregierung hat am 11. September 2018 eine Strukturreform der niedersächsischen Finanzverwaltung beschlossen, um auf die kommenden demografischen Herausforderungen und die sich durch die Digitalisierung ändernden Kommunikationswege der Bürgerinnen und Bürger vorbereitet zu sein. Damit wird die Finanzverwaltung zukunftsfähig, effektiv und weiterhin bürgerfreundlich aufgestellt.
Ziel der Reform ist, zu gewährleisten, dass die Finanzämter auch künftig in allen ihren fachlichen Einheiten die ihnen obliegenden Aufgaben effektiv und effizient erfüllen können. Kernstück der Reform ist die Zusammenlegung einzelner Finanzamtsbezirke unter Beibehaltung aller bisherigen Standorte. Dazu werden jeweils zwei Finanzämter unter Berücksichtigung ihrer regionalen Beziehungen fusioniert.
Mit der Zusammenfassung der Finanzamtsbezirke richtet die Steuerverwaltung ihre Aufbaustruktur auf die demographische Entwicklung aus und sichert zugleich für die betreffenden Regionen und deren Bürgerinnen und Bürgern die Präsenz der Steuerverwaltung vor Ort.
Die demografische Entwicklung führt in bestimmten Regionen Niedersachsens dazu, dass die Bevölkerungszahl mittelfristig immer weiter zurückgeht. Damit geht ein Wandel der wirtschaftlichen Struktur vor Ort einher und die Arbeitssituation in den jeweils betroffenen Finanzämtern verändert sich. Um zu vermeiden, dass in diesen Finanzämtern Arbeitsbereiche entstehen, die für sich genommen zu klein sind, um notwendiges Spezialwissen vorzuhalten oder Vertretungsregelungen zu ermöglichen, bedarf es künftig der Zusammenlegung der betroffenen Bereiche. Es ist ausdrücklich nicht das Ziel, Personal-, Sach- oder Finanzmittel einzusparen oder Standorte zu schließen, sondern es geht allein darum, die Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Steuerverwaltung zu gewährleiten und dabei weiterhin die Präsenz in der Fläche beizubehalten.
Ganz wesentlich ist also, dass bei den Fusionen stets beide Standorte erhalten bleiben. So kann die Steuerverwaltung ihr Potenzial zur Nachwuchsgewinnung in allen Regionen entfalten und das Land bleibt als Arbeitgeber in der Fläche vertreten.
Die Initiative für die Zusammenlegung von Finanzämtern ist aus der Steuerverwaltung selbst heraus entwickelt worden und mündet nun in einem Konzept zur Sicherung der Effektivität und Zukunftsfähigkeit der Steuerverwaltung in Niedersachsen. Damit reagiert die Steuerverwaltung frühzeitig auf die in den 2030er-Jahren zu erwartenden Auswirkungen der demografischen Entwicklung.
Betroffen sind maßgeblich die Finanzämter Uelzen, Lüchow, Alfeld, Bad Gandersheim, Goslar, Herzberg am Harz, Northeim, Holzminden und Helmstedt, in deren Bezirken sich der Anteil zwischen 20 und 64 Jahre alter Personen an der Gesamtbevölkerung 2031 voraussichtlich um bis zu 35 Prozent und der Anteil der unter 20-jährigen sogar um bis zu 48 Prozent vermindern wird.
Aber auch die Bezirke der Finanzämter wie Aurich, Emden, Norden und Wittmund, in denen sich der Anteil der 20- bis 64-jährigen an der Bevölkerung bis dahin nur um 14 bis 20 Prozent und der der Jüngeren nur um knapp 30 Prozent zu vermindern droht, werden von der Entwicklung nicht unbeeinflusst bleiben. Alle diese Finanzämter sind schon heute „kleine“ Finanzämter, deren wiederum kleine Arbeitsbereiche in einigen Jahren voraussichtlich keine gesicherte Vertretung, keinen fachlichen Austausch untereinander bzw. keine spezielle fachliche Schwerpunktbildung mehr zulassen werden.
Auch diese Finanzämter werden sich aber den zukünftig zu erwartenden steuerlichen Herausforderungen stellen müssen. Diese werden sich insbesondere aus der Internationalisierung, der Globalisierung der Wirtschaft mit deren steuerlichen Verflechtungen und dem Informations- und Kommunikationsaustausch mit dem Ausland ergeben.
Es ist geplant, dass mit dem Jahr 2022 die weiteren sechs Zusammenlegungen abgeschlossen sind. Wegen der Corona-Pandemie konnten allerdings die geplanten Fusionen zum 1. Juni 2020 und zum 1. Juli 2020 nicht stattfinden. Eine weiterhin positive Entwicklung im Infektionsgeschehen vorausgesetzt, wird gleichwohl bis Ende 2022 der Prozess abgeschlossen sein:
- Emden und Norden zum Finanzamt Emden-Norden zum 1. Juni 2021
- Aurich und Wittmund zum Finanzamt Aurich-Wittmund zum 1. Juli 2021
- Northeim und Herzberg am Harz zum Finanzamt Northeim-Herzberg am Harz zum 1. Dezember 2021
. - Hameln und Holzminden zum Finanzamt Hameln-Holzminden in 2022
- Braunschweig-Altewiekring und Helmstedt zum Finanzamt Braunschweig-Helmstedt in 2022
Die Zuständigkeit des Finanzamtes Braunschweig-Altewiekring für die Samtgemeinde Sickte und die Gemeinde Cremlingen soll dabei auf das Finanzamt Wolfenbüttel und für die Gemeinden Vechelde und Wendeburg auf das Finanzamt Peine verlagert werden.
Der weitere Fusionsprozess erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Steuern Niedersachsen, den Verantwortlichen in den jeweiligen Ämtern sowie den Personalvertretungen vor Ort.
Kurzbegründung einzelner Zusammenlegungen:
Finanzämter Lüchow und Uelzen
Beim Finanzamt Lüchow handelt es sich um das kleinste niedersächsische Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 57 Vollzeiteinheiten. Das Finanzamt Uelzen ist ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 110 Vollzeiteinheiten.
Aufgrund der demographischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die kleinen Arbeitsbereiche, insbesondere im Finanzamt Lüchow, spätestens 2031 nicht mehr über die erforderliche Größe verfügen werden, die eine fachliche Spezialisation und eine gesicherte Vertretung in Zeiten von Vakanzen zulassen.
Finanzämter Aurich und Wittmund
Das Finanzamt Wittmund ist ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 70 Vollzeiteinheiten. Auch für das Finanzamt Wittmund ist langfristig zu erwarten, dass die kleinen Arbeitsbereiche bedingt durch die demographische Entwicklung zu klein werden.
Das Finanzamt Aurich ist ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 111 Vollzeiteinheiten. Die Prognose der demographischen Entwicklung im Landkreis Aurich geht von einer Verringerung der 20-<65-Jährigen von circa 14 Prozent aus, für den Landkreis Wittmund wird eine Verringerung von circa 20 Prozent erwartet.
Finanzämter Braunschweig-Altewiekring und Helmstedt
Das Finanzamt Helmstedt ist ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 80 Vollzeiteinheiten. Auch für das Finanzamt Helmstedt ist zu erwarten, dass die ohnehin schon kleinen Arbeitsbereiche in den nächsten Jahren für eine angemessene Aufgabenwahrnehmung zu klein werden.
Das Finanzamt Braunschweig-Altewiekring ist ein mittelgroßes Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 177 Vollzeiteinheiten. Die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes umfasst Außenbereiche der Stadt Braunschweig und die im Landkreis Peine liegenden Gemeinden Vechelde und Wendeburg sowie die zum Landkreis Wolfenbüttel gehörenden Gemeinden Sickte und Cremlingen.
Durch die vorgesehene Abgabe der Zuständigkeit für die oben genannten Gemeinden vom Finanzamt Braunschweig-Altewiekring an die Finanzämter Peine und Wolfenbüttel, werden die Finanzämter Peine und Wolfenbüttel gestärkt.
Finanzämter Emden und Norden
Das Finanzamt Norden ist ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 79 Vollzeiteinheiten. Das Finanzamt Norden liegt im Landkreis Aurich. Das Finanzamt Emden ist ebenfalls ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von rund 84 Vollzeiteinheiten.
Trotz geringerer demographischer Effekte als im Landesdurchschnitt ist davon auszugehen, dass sich Arbeitsbereiche weiter verkleinern werden.
Finanzämter Goslar und Bad Gandersheim
Bei den Finanzämtern Bad Gandersheim und Goslar besteht die Besonderheit, dass sich der Amtsbezirk des Finanzamtes Bad Gandersheim über einen Teil des Landkreises Northeim und einen Teil des Landkreises Goslar erstreckt. Beide Finanzämter sind kleine Finanzämter mit aktuellen Personalzuweisungen von rund 94 und 102 Vollzeiteinheiten. Kleine Arbeitsbereiche werden auch in diesen Finanzämtern voraussichtlich deutlich zu klein werden. Die bereits landkreisübergreifende Zuständigkeit des Finanzamtes Bad Gandersheim und die relative Nähe beider Finanzämter zueinander legen es nahe, beide Amtsbezirke zusammenzufassen.
Finanzämter Hameln und Holzminden
Das Finanzamt Holzminden ist ein kleines Finanzamt mit einer Personalzuweisung von gegenwärtig rund 70 Vollzeiteinheiten. Auch in diesem Finanzamt werden die kleinen Arbeitsbereiche voraussichtlich deutlich zu klein werden. Das Finanzamt Hameln ist ein mittelgroßes bis großes Finanzamt mit einer Personalzuweisung von 200 Vollzeiteinheiten. Durch die Übernahme der Besteuerung eines Viertels der in Deutschland tätigen polnischen Bauunternehmen in 2017, für die bis dahin Brandenburg zentral für alle Länder zuständig war, und durch die eigens dafür eingerichtete Dienststelle „ZEPU“ (Zentralstelle zur Besteuerung polnischer Bauunternehmer) wurde es bereits gestärkt.
Finanzämter Hildesheim und Alfeld
Das im Landkreis Hildesheim gelegene Finanzamt Alfeld ist ein kleines Finanzamt mit einer aktuellen Personalzuweisung von 63 Vollzeiteinheiten. Das Finanzamt Hildesheim ist ein großes Finanzamt (Personalzuweisung rund 217 Vollzeiteinheiten).
Beide Finanzämter liegen im selben Landkreis. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist für das Finanzamt Alfeld zu erwarten, dass die kleinen Arbeitsbereiche 2031 nicht mehr über die erforderliche Größe verfügen werden, die eine fachliche Spezialisation und eine gesicherte Vertretung in Zeiten von Vakanzen zulassen.
Finanzämter Northeim und Herzberg am Harz
Das Finanzamt Herzberg am Harz ist ein kleines Finanzamt mit 85 Vollzeiteinheiten im Landkreis Göttingen. Auch beim Finanzamt Herzberg am Harz werden die kleinen Arbeitsbereiche voraussichtlich deutlich zu klein werden. Der Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Northeim umfasst bereits die sich im Altkreis Göttingen befindende Samtgemeinde Gieboldehausen und die Gemeinde Duderstadt. Es ist ein kleines bis mittelgroßes Finanzamt mit einer Personalzuweisung von 130 Vollzeiteinheiten.
Gestärkt worden ist es 2016 durch die Zentralisierung der „Info-Hotline“ der niedersächsischen Steuerverwaltung.
Es ist geplant, dass mit dem Jahr 2022 die weiteren sechs Zusammenlegungen abgeschlossen sind. Wegen der Corona-Pandemie konnten allerdings die geplanten Fusionen zum 1. Juni 2020 und zum 1. Juli 2020 nicht stattfinden. Eine weiterhin positive Entwicklung im Infektionsgeschehen vorausgesetzt, wird gleichwohl bis Ende 2022 der Prozess abgeschlossen sein:
- Goslar und Bad Gandersheim zum Finanzamt Goslar-Bad Gandersheim zum 1. Dezember 2020
- Emden und Norden zum Finanzamt Emden-Norden zum 1. Juni 2021
- Aurich und Wittmund zum Finanzamt Aurich-Wittmund zum 1. Juli 2021
- Northeim und Herzberg am Harz zum Finanzamt Northeim-Herzberg am Harz zum 1. Dezember 2021
. - Hameln und Holzminden zum Finanzamt Hameln-Holzminden in 2022
- Braunschweig-Altewiekring und Helmstedt zum Finanzamt Braunschweig-Helmstedt in 2022
Die Zuständigkeit des Finanzamtes Braunschweig-Altewiekring für die Samtgemeinde Sickte und die Gemeinde Cremlingen soll dabei auf das Finanzamt Wolfenbüttel und für die Gemeinden Vechelde und Wendeburg auf das Finanzamt Peine verlagert werden.
Entscheidungsgrundlagen Teil I
(PDF, 0,08 MB)
Entscheidungsgrundlagen Teil II
(PDF, 0,47 MB)
Drucksache des Niedersächsischen Landtages Nr. 17-6291
(PDF, 0,03 MB)
Drucksache des Niedersächsischen Landtages Nr. 18-00022
(PDF, 0,10 MB)
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zur Struktur der Finanzämter
(PDF, 1,48 MB)
Fast 190.000 Bürgerinnen und Bürger und davon knapp 19.000 aus Niedersachsen beteiligten sich an einer einjährigen Befragung der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger sind sehr zufrieden mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihres Finanzamtes. Verbesserungsbedarf sehen sie in der Steuersprache.
Ergebnisse der Bürgerbefragung der Finanzämter für Niedersachsen
(PDF, 0,09 MB)
Artikel-Informationen
erstellt am:
11.09.2018
zuletzt aktualisiert am:
29.12.2020